Schlossfreunde besuchen die Ausstellung "Hambacher Forst und der Preis unserer Energieversorgung"

Die Tatsachen der globalen Erderwärmung und ihrer lebensbedrohlichen Konsequenzen sind in Medien und Bevölkerung mittlerweile - zumindest in Sommerzeiten - weitgehend akzeptiert. Das gilt aber bei weitem noch nicht für die zu ihrer Begrenzung global erforderlichen umfassenden Maßnahmen. In diesem Zusammenhang behandelt gegenwärtig eine Ausstellung im Ostflügel von Schloss Benrath  den kulturhistorischen "Preis unserer Energieversorgung" durch Braunkohle im Rheinischen Revier und präsentiert Aspekte der aktuellen Klima- und staatskritischen Bewegungen. Die Sonderausstellung wurde von ihrem Initiator und Kurator, Prof. Stefan Schweizer, wiss. Vorstand der Stiftung Schloss und Park Benrath, den Freunden von Schloss und Park Benrath vorgestellt. Der Rundgang durch die Ausstellung regte an zu Diskussionen über die Problematik einer sauberen, günstigen und sicheren Energieversorgung, über Argumente und Formen des "zivilen Protestes", und auch über die Frage, welcher Bezug zu Schloss Benrath besteht. Einigem ist der Autor dieses Beitrages anschließend noch einmal nachgegangen. 

 

Beeindruckende Bilder - aus aktivistischer Perspektive fotografiert.

(Die Bilder in diesem Beitrag stammen nicht aus der Ausstellung!*)

Seit April 2023 läuft im Ostflügel die Sonderausstellung "Der Hambacher Forst und der Preis unserer Energieversorgung", die mit den Augen von vier Fotografen interessante Einblicke in den Braunkohlentagebau im rheinischen Revier und den Protest gegen dessen Fortführung gibt.

Die Ausstellung wurde den Freunden von Schloss und Park Benrath durch Prof. Schweizer in einer Sonderführung vorgestellt. Das Echo zur fotografischen Kunst vieler Aufnahmen fiel durchweg positiv aus, es beeindruckte besonders die Wirkmächtigkeit von Bildern, welche die erdrückende Dimension dieser Art der Energiegewinnung vor Augen führen. Andere Fotos zeigen den organisierten Protest gegen die Fortführung des Braunkohleabbaus: Prozessionen von Menschen in weißen Schutzanzügen, Baumhäuser, Aktivistengruppen, Vermummte, Polizisten als „Staatsgewalt“ etc. Diese Aufnahmen suggerieren Aktionsfotografie, aber viele wirken dafür zu sehr komponiert und zeigen, dass es von Seiten der Protestbewegung (auch) um Deutungshoheit geht. Besonders offensichtlich wird das, anders als es der Katalogtext [1] sieht, bei einem Foto, welches das Aufrichten eines Birkenstamms durch Aktivisten zeigt: es ist dem Pulitzerfoto Joe Rosenthals "Raising the Flag on Iwo Jima" sorgfältig nachgestellt: als bewußtes Zitat eines (seinerseits ebenfalls gestellten) Kriegsfotos - im Kontext eines als friedlich deklarierten Protests.

"LochLoch in der Landschaft (Garzweiler). Foto: Hardo Bruhns.

Für die kompakte Fotoausstellung sind die kleinen Ausstellungsräume im Ostflügel von Schloss Benrath gut geeignet; ob das gesellschaftlich "aktuelle" Thema, wie erhofft, mehr Interessenten anziehen wird als eher kunst- oder naturhistorisch bzw. künstlerisch orientierte Ausstellungen, wird sich zeigen.

 

Das kurfürstliche Hambacher Jagdschloss.

Der von Stefan Schweizer verfaßte Katalog will einleitend darlegen, dass der „Preis unserer Energieversorgung“ eine kulturhistorische Dimension hat und vermerkt dazu mit Recht einige Opfer: das Wasserschloss der Grafen Mirbach-Harff, die Rittergüter Pesch und Leuffen, sowie die Kirche in Immerath sind zwischen 1972 und 2018 für den Braunkohlentagebau abgerissen worden. Weiter spricht der Katalogtext von „durch den Braunkohleabbau unwiderruflich vernichteten Kulturlandschaften ... und damit sind wir endgültig beim Hambacher Forst bzw. zunächst noch dem namensgebenden Schloss Hambach angelangt.“ Erstaunlich, denn dieses Jagdschloss, und damit wohl auch der kurfüstliche Jagdforst, wurden schon vor 1770 aufgegeben, also (und das ist wohl kein Zufall) während der Bauzeit des heutigen Benrather Schlosses. Danach diente Schloss Hambach als Kloster, zeigte schon zu Napoléons Zeit so starken Verfall, dass große Teile des Schlossgevierts sowie einer der vier Ecktürme abgerissen wurden. So steht es noch heute da, verstümmelt, aber unbehelligt vom Tagebau. Ob Schloss Hambach mit oder ohne seinen ehemaligen Jagdforst als "kulturhistorisches Denkmal" dienen kann, das geeignet sei, "die Geschichte des Landes wie der Landschaft zu erzählen"? Natürlich, und diese Geschichte wird von vielen anderen Schlössern und Burgen in der Region mit Parks und Gärten auch erzählt. Aber ein kulturhistorisch zu zahlender Preis unserer Energieversorgung ist Schloss Hambach nicht, trotz der netten Trouvaille, 1715 habe Adriaen van der Werff, Hofmaler Jan Wellems, sich für Wildschweinfleisch aus dem Hambacher Forst bedankt. Ich habe mich, 309 Jahre später, für einen Rehrücken aus der Altmark bedankt, den mir ein Nachfahre jenes Hans Carl von Carlowitz geschenkt hat, der für sein Konzept der forstwirtschaftlichen Nachhaltigkeit berühmt wurde.

 

"LochLeben mit Braunkohle. Foto: Hardo Bruhns.

 

Der kurfürstliche Jagdforst.

Zurück zum „Preis unserer Energieversorgung“: Gehört das ehemals kurfürstliche Jagdrevier mit seinem „postglazialen“ Naturwald dazu? In der Beschreibung des naturhistorischen und ökologischen Werts des vom Tagebau bereits zerstörten bzw. bedrohten Hambacher Forsts folgt der Katalog eng der Literatur und Webseite des BUND, die sich auf den östlich vom Hambacher Schloss gelegenen „Bürgewald“ bezieht. Dieser war seit ottonischen Zeiten ein Allmende-Wald, in dem den ortsansässigen Bauern zumindest bis zum 16. Jh das Jagdrecht zustand. Nach der Tranchot-Karte um 1800 war er vom Schloss aus unmittelbar nur über Felder erreichbar. Diese Karte zeigt aber auch das ähnlich große Waldgebiet nordwestlich des Schlosses, die „Mairie d’Hambach“, die sich in Richtung Jülich und Stetternich erstreckt (Selgenbusch, Langenbroich und Hahnenbusch). Dieser Wald ist heute der „Staatsforst Stetternich“  des Landes Nordrhein Westfalen, gehört also der öffentlichen Hand. Dahin kam er nicht durch Enteignung, sondern in Nachfolge des Besitzes der preußischen Krone bzw. Staates - und somit war er vor Napoléon der Wald der pfälzischen Kurfürsten und davor der Herzöge von Jülich. Dies war der Jagdforst Jan Wellems. Nach 1957 wurde inmitten dieses großen Waldgebiets das Forschungszentrum Jülich angesiedelt; andere Rodungen schmälerten es schon lange vorher. Tagebau gab es hier nie. Als Preis unserer Energieversorgung kann Van der Werffs naturhistorisch wertvolles Wildschwein nicht gelten – es lief im falschen Wald herum (und war nachweislich schon 1715 nicht mehr zu retten).

 

Der kulturhistorische „Preis unserer Energieversorgung“.

Aber es gibt dennoch auch kulturhistorisch einen unübersehbaren Preis der Energieversorgung durch die rheinische Braunkohle. Man könnte Zahl und Bedeutung der wegen des Tagebaus abgerissenen kulturhistorischen Denkmäler mit solchen in Relation zu setzen, die aus anderen Gründen verloren gingen und jenen, die heute noch bestehen. Wer die Gegend des Dreiecks Köln – Krefeld – Aachen kennt, weiß, dass es dort zwar an Schlössern und Gütern mit Wäldern und Gartenanlagen nicht mangelt. Aber es sind doch, wie Stefan Schweizer vermerkt, etliche schöne Rittergüter, Kirchen und viele andere historischen Gebäude der Braunkohle geopfert worden.

Als Teil des kulturhistorischen Preises müssen auch die Folgen der für den Tagebau erforderlichen Grundwasserabsenkung betrachtet werden. Durch sie wurden die Fundamente vieler (nicht nur) historischer Gebäude instabil, insbesondere der uralten ehemaligen Motten, die auf Eichenpfählen gegründet sind. Diese fielen trocken, womit aufwändige Gründungs- und Erhaltungsarbeiten erforderlich wurden. Manches wertvolle Gebäude ging unrettbar verloren. Die Auswirkungen reichen bis vor die Tore Aachens und über Viersen hinaus, wie das Beispiel der dortigen Wasserburg Stockum zeigt. Auch ein anderer wesentlicher „Preis unserer Energieversorgung“ aus Braun- und Steinkohle verdient Aufmerksamkeit: die gesundheitliche Belastung der Bevölkerung durch die gewaltige Luftverschmutzung, die erst langsam eingedämmt wurde. Sie hat auch eine kulturhistorische Dimension, denkt man an die nach vielen Jahrhunderten in wenigen Dutzenden von Jahren von Ruß und Schwefelsäure zerfressenen Fassaden historischer Gebäude.

 

Soziohistorischer Nutzen der Energieversorgung.

Wer den „Preis unserer Energieversorgung“  beklagt, muss sich auch nach dem Nutzen (im soziohistorischen Kontext der Ausstellung) fragen lassen: nach der Bedeutung, die sie für die Entwicklung, gerade auch der niederrheinischen Region, seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert hatte. Der Pfarrer Gustav Adolf Graeber beschreibt die Lebensumstände in der niederrheinischen Gemeinde Böninghardt um 1870: In keinem Hause mit einer einzigen Ausnahme fand sich ein gedielter Fußboden. So waren aus der Armut und z. T. mit der Absicht, sich besser vor der Kälte zu schützen, tiefe Stufen in die Erde hinein gegraben, die Wände aus dicken Erd- und Heidestücken aufgebaut, die Fenster waren winzig klein, die Dächer meist mit Stroh und Heidekraut gedeckt, die Bettpfosten tief in den gestampften Fußboden hineingestoßen, das Bettzeug bestand vielfach aus Heidekraut. Ohne die Verfügbarkeit von erschwinglicher Energie für den industriellen Aufschwung und damit die Schaffung von Arbeit und Wohlstand hätte es auch in Deutschland noch lange so aussehen können wie bis heute in manchen Ländern der Dritten Welt.

 

Überholte TechnikÜberholen verboten - für überholte Technik. Foto: H. Bruhns

 

Die gesellschaftliche Dimension der Naturzerstörung.

So wenig die Ausstellung den wirklichen kulturhistorischen Preis unserer Energieversorgung deutlich zu machen vermag, zeigt sie doch den gesellschaftlichen. Tatsächlich ist dies, wie erwähnt, ihr eigentliches Anliegen. Am Beispiel des Braunkohletagebaus wird die grundsätzliche Thematik des Raubbaus an der „Natur“ als existentielle Bedrohung angesprochen. Davon ausgehend werden die Fragen der Generationengerechtigkeit, des Verhältnisses zwischen der durch den demokratischen Staat repräsentierten Gesellschaft und einer selbsternannten „Zivilgesellschaft“ sowie des Widerspruchs zwischen dem verfassungsmäßig garantierten Machtmonopol des Staates und dem Machtanspruch außerparlamentarischer nichtrepräsentativer Gruppen aufgeworfen - trotz offensichtlicher Sympathie für die Aktivisten gegen den Tagebau mit einiger Nachdenklichkeit und Nuancierung. Besucher der Ausstellung werden durch die Informationen - hier ist besonders die Einleitung im Begleitband hervorzuheben - und die Bildkraft vieler Fotos zu eigener Reflexion über diesen Problemkreis von wachsender gesellschaftlicher Bedeutung angeregt. Dafür und für die Konzeption und Realisierung dieser Ausstellung ist Stefan Schweizer zu danken.

 

[1]     Stefan Schweizer (Hg): Der Hambacher Forst und der Preis unserer Energieversorgung. Stiftung Schloss und Park Benrath (2023)

         IBSN 978-3-947932-06-1

 

* Anmerkung: Aus urheberrechtlichen Gründen wurden für diesen Beitrag keine Fotos aus der Ausstellung verwendet.

 

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Am Rande bemerkt: Ein Vortrag zur "Unterwerfung der Natur".

Apropos „Natur“: Im Kontext der Ausstellung trug am 22. 6. 2023 Philipp Blom zur „Unterwerfung der Natur“ vor, einem Narrativ, dessen Ursprung er im biblischen Auftrag „... Füllet die Erde und machet sie euch untertan ...“, (Genesis I, 28) verortet, also in der menschlichen Ideengeschichte - und dort spezifisch in der jüdisch-christlichen Tradition - und nicht in der evolutionären Disposition. Da dieses "aufklärerische" Narrativ heute zur existentiellen globalen Bedrohung geführt habe, sei ein anderes Narrativ notwendig. Ausgehend von einem Diskurs zu Descartes und Montesquieu und den Vorstellungen des Letzteren zu einer Seele der „Natur“, müsse dieses neue Narrativ auf eine symbiotische Beziehung zwischen Mensch und Natur aufbauen, wie sie nach Bloms postmodernistische Vorstellungen referierender Auffassung Pilzmycel und Bäume oder Darmflora und Mensch demonstrieren. Wie ein solches Narrativ, dem des paradiesischen Zustands der christlich-jüdischen Überlieferung entsprechend, präzisiert und auf unsere globale Situation übertragen werden könnte, blieb offen - von (Nahrungs-) Konkurrenz in der Natur war ebensowenig die Rede wie von Parasitismus. Etwas weniger   Ideentheorie  und mehr naturwissenschaftliche Behandlung wären wünschenswert gewesen – so hätte das Konzept der Nachhaltigkeit von Montesquieus Zeitgenossen Carlowitz aus dem Jahr 1713, das seit dem Brundtland Report [2] allgemein bekannt sein sollte, verdient, diskutiert zu werden. Bei aller Eloquenz des Vortragenden blieb damit die Veranstaltung, das zeigte auch die Diskussion, ohne rechte Botschaft.

 

[2]     World Commission on Environment and Development: Our Common Future. Oxford University Press (1987) -  

         https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our-common-future.pdf

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